2022 ist das Jahr der hohen Baukosten. Erst die Pandemie, dann der Russland-Ukraine-Krieg. Die Lieferketten in der Industrie sind gestört. Das wirkt sich selbstredend auf die Auftragslage am Baumarkt aus. Laut Statistischem Bundesamt sind die Zahlen zur Wohnungsbau-Nachfrage stark rückläufig. Droht dem Wohnungsbau ein kompletter Einbruch?
Thomas Wienroth, Wohnungsmarkt-Experte und Immobilienmakler aus Jena, liefert tiefere Einblicke.
Herr Wienroth, wie haben sich die Baupreise neuerdings geändert?
In unserem letzten Beitrag haben wir von den Auswirkungen der Inflation auf den Immobilienmarkt berichtet. Auch die Baupreise explodieren im Moment. Es gab im Mai dieses Jahres eine Meldung des Statistischen Bundesamts. Daraus ging hervor, dass die Auftragseingänge aller Baufirmen mit 20 und mehr Mitarbeitenden um 13,5% gegenüber dem Vorjahr gesunken sind. Nicht nur die Baukosten sind gestiegen. Auch die Kosten für Energie, Zinsen und Lebenserhaltung wurden angehoben. Jeder spürt das momentan im Alltagsleben und bei den Baukosten hört dieser Trend leider nicht auf.
Das ist schlimm, denn die Aufträge sind da. Ein Sprecher des Landesverbands der bayrischen Bauinnungen in München sagt zum Beispiel, dass es eine Riesen-Auftragswelle gäbe, jedoch die Rohstoffe fehlten. Demnach gibt es alle acht Wochen massivste Preissteigerungen. Das fängt beim Aluminium an und hört beim Holz auf. Die Bau- und Wohnungsbranche berichtet von weiteren Engpässen bei Stahl, Stahllegierungen sowie höheren Preisen bei Keramikwaren und Fliesen.
Bricht der Wohnungsbau in Ihren Augen tatsächlich ein?
Wenn wir den Wohnungsbau betrachten, müssen wir das gesamte Bauhauptgewerbe anschauen. Und da sieht es nicht rosig aus. Hier fiel die Auftragsquote um 3,5% gegenüber dem Vorjahr. Grund dafür sind – wie überall – Engpässe bei den Lieferketten. Es liegt auf der Hand: Wo kein Material, da kein Bau. Pessimisten gehen davon aus, dass der Wohnungsbau im Jahr 2023 einbricht. Wir nehmen zunächst einmal den starken Rückgang wahr, ohne in Panik zu geraten.
Jedoch ist festzustellen, dass sich die Investoren seit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine stark zurückhalten. Aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten sowie der stark gestiegenen Preise in der Bauindustrie gestaltet sich der Wohnungsbaumarkt als recht kritisch. Einige Wohnungsgenossenschaftsverbände in Deutschland berichten davon, dass die „Aussichten für Neubau-Starts“ schlecht bis sehr schlecht aussehen. Viele Projekte werden verschoben.
Wie sehen denn die derzeitigen Preisveränderungen bei Wohnungen aus?
Das ImmoScout 24 WohnBarometer weist einen starken Anstieg der Angebotspreise für Mietwohnungen aus. Im 2. Quartal dieses Jahres wurden Bestandswohnungen in der Neuvermietung um durchschnittlich 2,7% teurer (Vgl. vorheriges Quartal). Neubauwohnungen verbuchten eine Preissteigerung um 3,6% (1,8% höher als im Vorquartal). Hinzu kommt die Zinserhöhung um 3%.
Gibt es Lichtblicke für den Wohnungsbau?
Kleine. Der Bund lässt die Bauindustrie nicht im Stich. Sofern es sich um öffentliche Auftraggeber handelt, haben Baufirmen die Möglichkeit, gestiegene Preise für beispielsweise Zement oder Stahl teilweise an den Staat weiterzugeben. Noch bis zum Ende des Jahre 2022 gilt eine Regelung für spezielle „Preisgleitklauseln“.
Die gute Nachricht ist: Diese sollte schon zur Jahresmitte enden, wurde jedoch bis zum 31.12.2022 ausgeweitet. So wird sich der Bund an Neuverträgen und unter bestimmten Umständen auch an Bestandsverträgen beteiligen. Stichtag ist der 11.03.2022. Die Vereinbarung für Preisgleitklauseln liegt bei derzeit 0,5% Stoffanteil. Der Selbstbehalt wird zumindest bei Bestandsverträgen auf 10% heruntergeschraubt. Das ist die Hälfte, denn vorab waren es noch 20%. Das Bauministerium berichtet, dass diese Klausel auch für die neuen Verträge gelten wird.
Allerdings werden die spezielle Corona-Politik Chinas und die unabsehbaren Folgen des Russland-Ukraine-Krieges nicht förderlich auf den Wohnungsbau auswirken.